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Corona und Alzheimer? Vorsicht bei unsauberer Wissenschaftskommunikation

Verursacht Corona wirklich Alzheimer?

Vor wenigen Wochen erschien in diesem „Blatt“ die Schlagzeile: „Corona könnte Alzheimer auslösen“. Ein gesundheitlich verantwortlicher Minister twitterte sofort, wie gefährlich das Virus sei.
Ich möchte die Studie (und die mediale Reaktion darauf!) hier nutzen, um uns allen (auch mir selbst!) in Erinnerung zu rufen, wie wichtig es in dieser Hysterie-verliebten Zeit ist, mit wissenschaftlichen Daten sauber umzugehen.

Die Studie, auf die sich die Schlagzeile bezieht, ist diese: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35812108/
Ich habe sie in durch meinen Uni-Zugang herunterladen, durchgesehen und mir sogar das supplementary material (also die unveröffentlichten Zusatzdaten) besorgt.

In der Arbeit wurde knapp die Hälfte der Bevölkerung Dänemarks (919.731 Menschen) auf das CV untersucht und das Risiko einer neuodegenerativen Erkrankung (Alzheimer, Parkinson, etc.) ermittelt. Davon wurden 43.375 zwischen Februar 2020 und November 2021 Corona positiv getestet. Das relative Risiko einer Alzheimererkrankung bei Coronainfektion in dieser Kohorte ca. 3x so hoch wie ohne vorherige Infektion

Alarm in Villabajo: Absolut statt relativ

Viele Kritikpunkte an der medial vereinfachenden Interpretation der Studie ließen sich hier anführen: Aber der eigentlich, für mich wesentliche Aspekt, über den ich mich geärgert habe, ist die Erwähnung eines RELATIVEN Risikos, ohne das ABSOLUTE Risiko zu nennen. Denn aus einem relativen Risiko lässt sich nur schwerlich etwas über die tatsächliche Wahrscheinlichkeit des Eintreffens eines Ereignisse ableiten.

Dazu ein Beispiel: Nehmen wir an, in zwei Dörfern (nennen wir sie Villariba und Villabajo 🙂) wird die Anzahl der toten von Verkehrsunfällen erhoben: Im Jahr 2021 starben in Villariba 2/100 durch einen VU (also 2%), in Villabajo 3/100 (also 3%).
Das relative Risiko in Villabajo durch einen VU zu sterben entspräche rein mathematisch also einem um 50% höheren Risiko!
Für eine Schlagzeile wäre dies natürlich super: „Die Menschen in Villabajo leben gefährlich! Sie können zu 50% häufiger auf der Straße sterben!“
Statistisch mag das korrekt sein, aber inhaltlich totaler Unfug, weil gerade einmal EINE Person in Villabajo mehr starb.
Sie können stattdessen wahrscheinlich in beiden Ortschaften als Fußgänger relativ beruhigt über die Straße gehen.

Im Zusammenhang mit der o.g. Studie habe ich im supplementary material nachlesen können, dass es gerade einmal 5 von 1000 Personen waren, die an Alzheimer erkrankten.
Damit liegt das absolute Risiko (auch mit CV) Alzheimer zu bekommen weiterhin ABSOLUT gesehen sehr niedrig, auch wenn es statistische RELATIV erhöht liegt.

In einer hochrangig publizierten Studien muss daher IMMER neben dem relativen Risiko auch die Absolutzahlen genannt werden, sonst ist der Quotient nicht plausibel interpretierbar.
Jedem meiner Doktoranden würde ich das sofort in seiner Dissertation ankreiden.

Keine Verharmlosung, aber saubere Kommunikation

Ich schreibe diesen Post NICHT, weil ich die Sorge vor Corona, unter der viele Menschen leiden, abschwächen möchte.
Es ist kein Schnupfen und kann bei hochkranken Menschen und/oder schweren Verläufen zu ernsten Komplikationen führen.
Und ich schreibe diesen Post NICHT, um einzelne Menschen, Medienmacher und Minister anzuklagen. Es ist eine komplexe Sachlage mit vielen Perspektiven. Und twittern lässt sich in einem unreflektierten Impuls schnell etwas.

Aber ich schreibe diesen Post, weil wir alle aufpassen müssen in einer komplizierter gewordenen Welt, die die Wissenschaft mehr denn je braucht:
Wissenschaftskommunikation muss sauber und exakt sein!
Sie darf von mir aus auch mal augenzwinkernd sein, demütig, eingeständig ihres eigenen engen Ausschnitts, den sie betrachtet.
Aber sie sollte niemals Angst machen und Druck ausüben und Daten so verzerren, dass es am Schluss falsch wird.
Sonst verlieren Menschen das Vertrauen in sie. Und zwar nicht RELATIV, sondern ABSOLUT.

#wissenschaftskommunikation #sauberinterpretieren #faktenstattfakes #keinehysterie #nopanic #corona #alzheimer #risikoreduktion #gesundheitgehtvor #gehirngesundheit #verantwortung

 

Corona und Alzheimer: Ein Zusammenhang?

Wissenschaft muss sauber kommuniziert werden.

Es wäre mir eine große Ehre und Freude, wenn ich Sie künftig mitnehmen dürfte auf meine Reise durch die Welt von Geist und Gehirn.

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