Der Winter schlägt auf die Stimmung
Die dunkle Jahreszeit kann einem echt auf die Stimmung schlagen, finden Sie nicht? Zumindest fühlen sich bis zu 25% der Menschen in unseren Breiten (inklusive dem Rheinland!) in dieser Zeit oftmals lustlos und antriebsarm. Die Stimmung ist gedrückt und das Schlafbedürfnis ist groß. Außerdem ist der Appetit gesteigert: Aus Winterblues entsteht nicht selten Winterspeck.
In 2-5% kann aus dem Winterblues eine waschechte sog. saisonale Depression werden, die dann oftmals eine medizinische Behandlung notwendig macht, weil sie deutlich länger anhält und sich die Beschwerden nicht immer von selbst bessern. Die Symptome sind dem Winterblues sind ähnlich, aber schwerwiegender und treten in mindestens zwei aufeinanderfolgenden Jahren auf. Außerdem fehlt in der Regel der Heißhunger und der Schlaf ist eher gestört.
Schuld ist die schiefe Erdachse
Die Ursache für den klassischen Winterblues ist das fehlende Sonnenlicht, denn unsere innere Uhr, die sich hieran orientiert, kommt aus dem Takt. Die Folge ist zu viel Melatonin, das uns schläfrig macht, sowie ein Mangel an Serotonin, wodurch sich unsere Stimmung verschlechtert.
Letztlich ist unsere schiefe Erdachse schuld an dem Schlamassel. Dadurch, dass unser schöner Planet schief im All herumhängt, haben wir nämlich dieses ganze Jahreszeitengedöns. Unsere Vorfahren haben sich auf diesen Wechsel angepasst. Sobald das Licht im Herbst nachließ, sorgte das Melatonin dafür, dass sie sich zurückzogen und Ruhe suchten. Denn die dunklen Jahreszeiten (zumindest in den Zeiten vor den Rewe-Einkaufsmärkten) waren von einer allgemeinen Nahrungsmittelknappheit geprägt. Der Mensch lernten sich Fett anzufuttern und in ihren Höhlen einzuigeln. Der Heißhunger im Winterblues stellte darüber hinaus möglicherweise einen zusätzlichen Versuch des Organismus dar, den Mangel an Serotonin auszugleichen, denn eine kohlenhydratreiche Kost führt zu einer höheren Verfügbarkeit von Serotonin im Gehirn.
Eigentlich ist der Winterblues also eine super Erfindung. Seine evolutionäre Begründung mag Ihnen also beim exzessiven Lebkuchengenuss vor dem Fernsehen ab jetzt als eine ganz wunderbare Ausrede dienen.
Es werde Licht: Möglichkeiten der Behandlung
So profan es klingt: Die Therapie der Wahl ist Licht. Denn genau das fehlt in den grauen und dunklen Monaten des Jahres. Wenn das Auge mehr Licht aufnimmt, wird im Gehirn Melatonin abgebaut, so dass sich Schläfrigkeit reduziert und die Vitalität zurückkehrt. Außerdem wird mehr Serotonin rhythmusgerecht ausgeschüttet und verhilft zu einer ausgeglichenen Stimmung.
Dabei kommt es weniger auf den Ort an, an dem Sie Ihre Portion Licht tanken, sondern allein auf die Lichtstärke der Umgebung. Untersuchungen zeigen, dass etwa 10.000 Lux wirksam sind, um ihrem Winterblues den Marsch zu blasen. Ein Spaziergang bei Vollmond für die Dauer einer Stunde entspricht gerade einmal etwa 1 Lux. Für einen Radiologen ist das schon sehr viel Umgebungslicht; für alle anderen Menschen ist es eher wenig. Ein romantischer Moonlight-Spaziergang mag also gut sein für Ihre Beziehung, aber zur Behandlung des Winterblues ist er weniger geeignet. Erst der Aufenthalt im Freien bringt die nötige Lichtausbeute: Im Winter kommen Sie je bei wolkenbehangenem Himmel auf 1000-5000 Lux; bei sonnigem Wetter erreichen Sie auch die empfohlenen 10.000 Lux. 30 bis 60 Minuten Sonnenlichtgenuss sind dann bereits ausreichend. Besonders wirksam ist das Licht der ersten Tageshälfte.
Gehen Sie also in der Mittagspause also eine halbe Stunde spazieren. Fahren Sie mit dem Fahrrad zur Arbeit, wenn es sich einrichten lässt. Und betreiben Sie am Wochenende vormittags etwas Sport im Freien. Holen Sie sich das Sonnenlicht in Ihr Herz – und in ihr Hirn.
Wichtig: Machen Sie die Augen auf, wenn sie rausgehen! Denn geschlossene Augen machen den Effekt vollkommen zunichte. Natürlich sollten Sie niemals direkt in grelles Sonnenlicht schauen, aber das Licht sollte durch die Pupillen auf die Netzhaut fallen können. Nur dann wird der Lichtreiz im Gehirn auch biochemisch übersetzt. Das ist übrigens auch der Grund, warum Ihnen Sonnenbänke beim Winterblues gar nix nützen. Denn bei geschlossenen Augen fällt kein Licht durch die Pupillen – und der lichttherapeutische Effekt bleibt aus. Auf einer Sonnenbank färbt sich Ihre Haut wie im August, aber Ihre Stimmung verbleibt im November.
Weitere Tipps gegen das Stimmungstief
Körperliche Bewegung hilft übrigens ebenfalls. Denn schon bei leichtem Ausdauersport wird die Vorläufer-Aminosäure Tryptophan, aus der Serotonin gebildet wird, besser ins Gehirn transportiert. Dort wird sie zu Serotonin aufgebaut. Einfach gesagt: Sport und Bewegung erhöhen die Verfügbarkeit von Serotonin im Gehirn.
Eine besonders schöne Art der Stimmungsaufhellung kann auch ein Haustier sein, insbesondere ein Hund. Denn durch ihn bewegen Sie sich eindeutig mehr und genießen auch häufiger das Sonnenlicht, der Hund muss schließlich mehrmals am Tag raus. Außerdem steht er Ihnen in der Regel als treuer Freund zur Seite. Eine antidepressive Wirkung dieser ganz besonderen Freundschaft ist in vielen Studien immer wieder bestätigt worden.
Schlussendlich würde es auch helfen sich zu neu verlieben. Das bringt den Serotoninhaushalt nämlich besonders effektiv wieder in Schwung. Sprechen Sie es aber sicherheitshalber mit Ihrem aktuellen Lebenspartner ab, falls sie einen haben. Nicht dass es Ärger gibt. Sagen Sie notfalls, dies geschehe aus rein gesundheitlichen Gründen.
Beim längeren Winterblues hilft der Arzt
Sollten die Beschwerden nach wenigen Wochen nicht besser werden, gibt es viele weitere Maßnahmen, die Ihnen helfen können. Dazu gehören bspw. bestimmte Vitamin-Präparate, pflanzliche Präparate wie Johanniskraut oder serotonergeSubstanzen, die bei moderaten Verläufen eine sehr erfolgreiche und oftmals dankbare Möglichkeit darstellen, sanft in den Stimmungsstoffwechsel des Gehirns einzugreifen.
Ich wünsche Ihnen Licht
Haben Sie keine Angst vor einem vorübergehenden Stimmungstief. In aller Regel kommt es zu einer spontanen Besserung, sobald die Tage wieder länger werden. Dann wird aus Moll wieder Dur. Und der Winterblues wird zur Frühlingssinfonie. Also halten Sie durch.
Ihnen allen wünsche ich eine frohe (vor)weihnachtliche Zeit, mit viel Lebkuchen, mit viel Liebe – und mit viel Licht!
Diese Buschtrommel ist eine abgeänderte Textversion der monatlichen Kolumne „Kopfsache“ von Dr, Volker Busch, aus der Zeitschrift Solutions der Handelsblatt-Media AG.
Hören Sie hier die ausführliche Version als Podcast aus der Reihe Gehirn Gehört
Folge 18: Winterblues