Verschlafen wir unser Leben? Wir schlafen im Durchschnitt eines etwa 80 Jahren währenden Lebens ca. 24 Jahre. Das erscheint aus der Sicht einer auf Effizienz getrimmten Gesellschaft zunächst einmal wenig ökonomisch. Was könnte man in dieser Zeit alles Sinnvolles erledigen?
Geist und Gehirn brauchen viel Ruhe
Schlaf ist unverzichtbar. Viele unserer Organe und Funktionssysteme profitieren zwar von einer regelmäßigen Ruhe, besonders das Immunsystem. Aber Schlaf im engeren Sinne, brauchen weder die Kniegelenke, noch die Milz. Sondern nur ein Organ, nämlich unser Gehirn. Vereinfacht gesagt, besteht folgende Arbeitsteilung: Tagsüber plant, steuert und überwacht es. Nachts regeneriert es, räumt auf und säubert. Es verknüpft und löscht Informationen und verfestigt Lernerfahrungen. Schlaf ist also ein hochaktiver Zustand.
Müdigkeit ist unser Freund
Damit wir den Schlaf nicht verschlafen, hat unser Gehirn clevere Mechanismen entwickelt, uns daran zu erinnern. Der wichtigste von ihnen ist die Wahrnehmung von Müdigkeit. Sie fühlt sich mitunter unangenehm an, ist aber sinnvoll, denn sie schützt unser Gehirn. Müdigkeit ist ein Signal, das uns sagt: Unser Gehirn braucht Ruhe.
Wenn wir die Müdigkeit nun mit aller Kraft unterdrücken und insgesamt über Tage hinweg zu wenig Schlaf finden, sind die Folgen für Gehirn und Geist dramatisch. Unsere Gelüste werden stärker: Wir essen, naschen und rauchen mehr. Und Geld geben wir bei Müdigkeit ebenfalls unkritischer aus, wie Studien nachwiesen. Weitere Folgen sind Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen, Denkschwierigkeiten und eine geringere Frustrationstoleranz.
Optimal ist möglichst lang
Die optimale Schlafmenge wird in aktuellen Leitlinien internationaler Schlafgesellschaften zwischen 6.5-8.5 Stunden pro Nacht angegeben. Die Varianz ist hoch, da das Bedürfnis von Menschen nach nächtlicher Ruhe durchaus unterschiedlich ist.
Ein Mythos hingegen ist, dass geistig erfolgreiche Menschen wie Thomas Alva Edison angeblich mit wenig Schlaf auskamen. Die, die es behaupten, schummelten und wurden oftmals mittags beim Schlummern erwischt. Napoleon Bonaparte sprach einmal folgenden Satz: Ein Mann braucht 6 Stunden Schlaf, eine Frau braucht dagegen 7 Stunden. Und nur ein Narr braucht 8 Stunden. Nicht nur, dass sein Zitat für die aktuelle Genderbewegung ein absolutes Desaster ist, ist sie also auch sachlich falsch. Umgekehrt finden wir übrigens zahlreiche Beispiele von geistig sehr erfolgreichen Menschen, die recht viel schliefen bzw. auf regelmäßige und ausgedehnte Erholung ihres Geistes Wert legten, wie bspw. René Descartes, Johann Wolfgang von Goethe oder Albert Einstein.
Ein paar Verhaltensrituale für Ihren guten Schlaf
- Schreiben Sie störende Gedanken vor dem Zubettgehen auf:
Eine Studie der Uni Texas konnte jüngst an 75 Probanden zeigen, dass diejenigen unter ihnen, die für die Dauer weniger Minuten am Abend ein paar Dinge notierten, die am nächsten Tag zu tun waren, ganze 9 Minuten eher einschliefen, als eine Kontrollgruppe, die lediglich den Tag erinnern sollten und Dinge aufschrieben, die sich ereignet hatten. Das kurze Herausschreiben der To Dos am nächsten Tag hilft Ihrem Gehirn Ordnung zu schaffen und beruhigt. Versuchen Sie es. Nehmen Sie sich ein paar Minuten und gehen Sie den darauffolgenden Tag kurz durch. Finden Sie für alles Kommende seinen Platz und beenden Sie Ihre Planung nach dieser Zeit ganz bewusst. Den Rest des Abends dürfen ein paar Seiten eines Romans einnehmen. Sie werden sehen, Ihre Einschlafdauer wird geringer. - Stellen Sie Vertrautheit im Schlafzimmer her:
Der Schlaf in ungewohnter Umgebung ist häufig schlecht. Vor allem in der ersten Nacht. Die Gründe für den „First Night Effect“ war vor vielen Jahren mein Dissertationsthema. Durch eine vertraute Umgebung können Sie Ihrem Gehirn helfen. Nehmen Sie das eigene Kissen mit ins fremde Hotelbett und – falls Sie bis zum äußersten gehen möchte – auch den gleichen Partner. Das schafft Ruhe im Kopf und Geborgenheit im Herzen. Manchmal hilft auch ähnliche Musik oder Duftöle, die man von zu Hause kennt. Ihr Gehirn dankt es Ihnen wissenschaftlich nachweislich mit einem tieferen Schlaf. - Nehmen Sie das richtige Betthupferl:
Melissengeist ist es leider nicht. Der ist nämlich ungeeignet. Hochprozentige Spirituosen können die Einschlafdauer zwar verkürzen, machen den Schlaf aber oft unterbrochener und weniger tief. Langfristig sind sie daher nicht geeignet. Schlaffördernd wirkt vielmehr ein Botenstoff im Gehirn, der sich Serotonin nennt. Diesen können wir so direkt mit der Nahrung nicht aufnehmen. Eine Aminosäure jedoch, aus der Serotonin aufgebaut wird, dagegen schon. Sie trägt den fast unaussprechlichen Namen: Tryptophan. Lebensmittel, die Tryptophan enthalten, sind verschiedene Nüsse, wie Erdnüsse, Cashewnüsse oder Walnüsse (sie sehen auch schon so aus wie ein Gehirn). Kleine Dosen reichen bereits! Darüber hinaus Edamer, dunkle Kakaoprodukte und auch Thunfisch und Schweineleber. Ob Sie am späten Abend vor dem Zubettgehen statt ein paar Nüssen lieber etwas Schweineleber schnabulieren möchten, überlasse ich Ihnen. Zur Not geben Sie sie der Katze.
Guter Schlaf ist meist machbar
In schwerwiegenderen Fällen kann ein Beratungsgespräch bei einem Schlafmediziner oder vielleicht sogar eine Diagnostik in einem Schlaflabor Klarheit schaffen und einer Reihe weiterer Maßnahmen die Tür öffnen.
Guter Schlaf ist jedenfalls in den meisten Fällen herstellbar. Und es ist eine Investition in Ihre Gehirngesundheit, die sich in jedem Fall lohnt.
Ich wünsche Ihnen gutes Gelingen und was noch wichtiger ist: eine geruhsame Nacht …