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Wie peinlich! – Die Wahrheit hinter Freudschen Versprechern

Einfach so rausgerutscht

Haben Sie das gesehen? Vor wenigen Tagen sprach der amerikanische Ex Präsident George W. Bush auf einer Veranstaltung in Dallas über Putin als einen Mann, der „ungerechtfertigt und brutal in den IRAK“ eingefallen sei. Eine Sekunde später korrigierte er sich schnell: „Ich meinte in die UKRAINE!“ (Zur Erinnerung: Die USA waren 2003 in selbst den Irak einmarschiert, weil sie dort Massenvernichtungswaffen vermutet hatten, die allerdings nie gefunden wurden). Ein klassischer Versprecher, auch als „Lapsus Linguae“ bezeichnet – mit gewaltiger medialer Wirkung. Das Video erhielt in nur zwei Tagen mehr als 500.000 Aufrufe. Die mögliche Psychodynamik dahinter schien für eine Schlagzeile wie geschaffen: Empfindet Georg W. Bush möglicherweise Parallelen zwischen der Ukraine-Situation und seiner damaligen Invasion in den Irak?

Unsere Sprache ist nur selten fehlerhaft

Prinzipiell haben wir alle etwas Präsidiales. Alle 1000-2000 Wörter sprechen wir nämlich ein falsches Wort oder ein richtiges Wort falsch aus (Wir gehen hier der Einfachheit halber von weitgehender Nüchternheit aus). Diese Fehlerfrequenz ist erstaunlich gering, wenn man bedenkt, dass wir zwischen 15.000-20.000 Wörtern pro Tag sprechen. Meistens gelingt uns die korrekte Wortwahl und -malerei also; unser Gehirn arbeitet präzise.

Aber eben nicht immer. Manche Menschen verheddern sich sogar regelmäßig. Der bayerische Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber bspw. darf als statistischer Ausreißer der normal verteilten sprachlichen Fehlleistungen in der Bevölkerung gelten. Auf Youtube finden Sie einige seiner besonders lustigen (und durchaus sympathischen) Versprecher. Übrigens ein abendfüllendes Programm, falls Sie sich alle ansehen möchten.

Versprecher als Fenster zur Seele

Sigmund Freud war davon überzeugt, dass Wortverwechslungen oder Neologismen einen verborgenen Wunsch oder eine Befürchtung zum Ausdruck bringen. Ein schlummerndes Bedürfnis, das sich sprachlich Bahn bricht. Fortan wurden die Versprecher nach ihm benannt und sind heute als „Freudsche Fehlleistungen“ bekannt. Freud glaubte sogar, dass ein erfahrener Therapeut die Bedeutung hinter solchen Fehlleistungen entschlüsseln könne. Lassen sprachliche Fehlleistungen denn wirklich tief in unsere Seele blicken? Gibt es überhaupt eine psychische Motivation hinter solchen lexikalischen Versprechern?

Heute wissen wir, das Verhaspler nicht allzu tief in die Seele blicken lassen. Nota bene: Freud selbst gab Jahre später zu, dass er seine eigenen Annahmen nicht beweisen könne und ging etwas auf Distanz zu ihnen. Versprecher erklärt sich weniger tiefenpsychologisch, sondern eher „technisch“: Während wir sprechen, sucht unser Gehirn nämlich ständig nach passenden Worten für die eigenen Gedanken. Im Redefluss muss das recht schnell gehen. Dabei ist die ungefähre Bedeutung stets wichtiger als die Form. Zuerst sucht das Gehirn bei der Bildung von Sätzen also halbwegs sinnvoll erscheinende Begriffe, und erst dann prüft es, ob die gefundenen Muster formal auch korrekt sind. Oft sind manche Worte dann aber schon ausgesprochen. Oops – zu spät!

Meine Tochter sagte neulich: „Jetzt sitzen wir im Salat“, was eine erfrischende Komposition war aus „Jetzt haben wir den Salat“ und „Jetzt sitzen wir in der Patsche“. Versprecher haben also durchaus etwas sprachlich Kreatives und Bildhaftes. Die Vorstellung meiner im Salat sitzenden Tochter bleibt Ihnen jetzt möglicherweise noch lange im Kopf.

Kreisende Gedanken beeinflussen die Sprache

Sprachliche Fehlleistungen drücken also KEIN geheimes und verborgenes, und auch KEIN verdrängtes oder verletztes Bedürfnis aus. Dennoch sind sie nicht immer zufällig. Sie können das Resultat kreisender Gedanken sein, die sich via Sprache nach vorne drängen. Studien haben gezeigt, dass dies bspw. dann der Fall ist, wenn wir beim Reden NOCH in Gedanken an den letzten Satz sind, oder wenn wir beim Sprechen SCHON an den nächsten Satz denken. Durch die Vermischung der zeitlichen Ebenen kommt es dann zu den Versprechern.

Auch unausgesprochene Gedanken, die uns zum Zeitpunkt des Sprechens gerade im Kopf herum kreisen, können unsere Wortwahl kontaminieren. Bekannt wurde die Bemerkung von Gregor Gysi über die damalige Spitzenkandidatin der Grünen, die er als „Frau Göring-Meckardt“ bezeichnete. Möglicherweise kreiste ein entsprechender Gedanke als neuronale Schleife , die durch ein sprachliches Fenster nach außen drang.

Wenn man diese Wechselwirkung zwischen Sprache und Gedanken berücksichtigt, kann es also durchaus sein, dass George W. im Vorfeld seiner Rede über seinen zweifelhaften Irak-Krieg nachgedacht hatte. Vielleicht war er auch im Vorfeld darauf von einem Journalisten angesprochen worden. Die Gedanken daran kreisten dann möglicherweise im Kopf als verbale Schleifen und führten zu der peinlichen Verwechslung, als er die Rede über Putin hielt.

Doch ein Moment der Selbsterkenntnis?

Am Ende des Videos von sehen Sie übrigens, wie George W. noch versuchte die Situation humorvoll zu retten, indem er auf sein hohes Alter anspielte: „Ich bin 75!“. Das ist tatsächlich ein äußerst schlechter Erklärungsversuch. Denn ein hohes Alter prädisponiert nicht für mehr Versprecher. Die sprachlichen Leistungen sind auch bei älteren Menschen zumeist äußerst präzise.

Mit fortschreitenden Lebensjahren passiert dafür aber etwas anderes: Menschen blicken oftmals ehrlicher und selbstkritischer auf ihr Leben zurück und erkennen Fehler, die sie in früheren Jahren begangen haben. Vielleicht drehte eine subtile neuronale Schleife der Selbsterkenntnis zu einem ungünstigen Zeitpunkt durch den Kortex von George W. Wer weiß schon mit Sicherheit, was im Kopf von Ex-Präsidenten vorgeht…

 

Wie peinlich! Was steckt hinter Freudschen Versprechern?

Was ist die Wahrheit hinter peinlichen Versprechern im Alltag?

Es wäre mir eine große Ehre und Freude, wenn ich Sie künftig mitnehmen dürfte auf meine Reise durch die Welt von Geist und Gehirn.

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