Sicher haben Sie es auch schon beobachtet: Jede Krise bringt ihre eigenen Verschwörungstheorien hervor, auch Corona. Oder besser gesagt, bringt sie deren Vertreter hervor, die voller Überzeugung den größten Unsinn in die Welt setzen. Doch wie kann das sein, dass durchaus intelligente Menschen eisern an Behauptungen festhalten, die nachweislich falsch sind?
Der Trick der Verschwörungstheorien
Die Welt um uns herum ist kompliziert und sehr vieles verstehen wir nicht, das ist nicht erst so, seit ein Virus unser Leben komplett umkrempelt. Um alles zu verstehen, müssten wir die ganze Zeit nichts anderes tun als nachdenken – und das ist anstrengend.
Dazu hat unser Gehirn keine Lust und setzt auf einen Trick: Es vereinfacht das Komplizierte solange, bis die Welt einigermaßen verständlich erscheint. Dafür opfern wir gerne einmal Korrektheit, denn die Vereinfachung erscheint uns als das höhere Gut. Vorurteile sind das beste Beispiel dafür. Um in der Welt klarzukommen, liegt uns „Keep it simple“ näher als komplizierte Wahrheiten.
Dass wir uns mit dem Komplizierten nicht so wohl fühlen wie mit dem Einfachen, hat einen Grund …
Die heilige Ordnung
Wir Menschen sind „kausalitätsbedürftig“. Wir suchen stets nach einer Begründung, warum etwas passiert. So entsteht Ordnung im Kopf und das mögen wir.
Auch Verschwörungstheorien schaffen „Ordnung“. Sie entstehen in Situationen, die uns ganz besonders unübersichtlich erscheinen und auch noch emotional fassungslos machen. Wie die Corona-Pandemie mit ihren vielen Todesfällen. Wir suchen „gehirnringend“ nach Antworten. Und dann kommt in einer solchen Situation jemand, der eine eingängige Erklärung für dieses furchtbare Ereignis parat hat und am besten auch noch einen Schuldigen benennt: Wunderbar! Zumindest solange wir keinen höheren Anspruch an die Wahrheit stellen.
Weltuntergangstermine
Jetzt wären Verschwörungstheorien an sich nicht so schlimm, wenn sie nicht erstens gerade labileren Gemütern zusätzlich Angst machen und zweitens den Fokus von einer echten Lösungsfindung weg lenken würden.
Eine alte Psychologen-Regel sagt: Unser Bedürfnis nach Sicherheit ist größer als das nach Wahrheit. Wer also ein sehr großes Sicherheitsbedürfnis hat, dreht lieber die Fakten so lange hin und her, bis sie wieder zu der Theorie passen, die er sich zurecht gelegt hat und an der er sich festhält.
Der Sozialpsychologie Leon Festinger hat das Anfang der 1950er Jahre sehr schön beobachtet an einer Sekte, die felsenfest an den nahen Weltuntergang glaubte. Doch zu keinem der genannten Termine traf er tatsächlich ein. Jedes Mal fanden deren Anhänger im Nachhinein gute Gründe, warum es diesmal noch nicht so weit war. Die Wahrheit wurde einfach jedes Mal passend gemacht.
Festinger gab dem Phänomen den Namen „kognitive Dissonanz“.
Umarmen Sie sie!
Das macht die Diskussionen mit Verschwörungstheoretikern so zäh: Kein noch so gutes Argument, kein Fakt, kein sachlicher Hinweis ficht sie in ihrer Meinung an. Und droht ihr Weltbild zu wanken, werden sie emotional. In vielen Fällen steckt dahinter nichts anderes als eine tief empfundene Angst vor der Komplexität der Welt.
Das soll Ihr Verhalten nicht komplett entschuldigen, kann aber helfen, die Beweggründe von Verschwörungstheoretikern zu verstehen und ihnen anders zu begegnen. Gehen Sie deshalb, wenn Sie auf einen solchen Gesprächspartner treffen, behutsam vor. Vermeiden Sie aggressive Diskussionen, denn damit erzeugen Sie nur harsche Abwehr. Nehmen Sie diejenigen tatsächlich lieber mal in den Arm.
Und wenn Sie es nicht mehr ertragen können: Gehen Sie denjenigen aus dem Weg. Ohne Publikum verlieren viele Verschwörungstheorien ihren Glanz von ganz allein. Und wir können uns gemeinsam den echten Lösungen zuwenden.
Denn die Welt wird nicht untergehen, auch wenn wir sie in ihrer Komplexität oft nicht verstehen. Sobald wir das akzeptiert haben statt immer nur nach einfachen Formeln zu suchen, können wir sie tatsächlich viel tiefer ergründen. Glücklicherweise gibt es draußen viele Menschen, die anpacken statt hadern, die positiv nach vorne blicken, statt schwarz zu malen oder anzuschwärzen. Die nachdenken und besonnen handeln. Denn so gestalten wir bestmöglich die Zukunft, wie auch immer diese aussehen wird.